Heilmittelbericht: Weniger Behandlungen, aber höhere Umsätze im „Pandemie-Jahr“ 2020

Heilmittelbericht 2021/2022 erschienen

Die Umsätze im Heilmittel-Bereich sind im Jahr 2020 aufgrund gesetzlicher Neuregelungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) deutlich gestiegen. Trotz temporärer Behandlungsrückgänge, die durch die Corona-Pandemie bedingt waren, wurden 2020 rund 9,3 Milliarden Euro für Heilmitteltherapien abgerechnet. Damit ist der durchschnittliche Umsatz je GKV-Versicherten von 2018 auf 2020 um 27,5 Prozent gestiegen. Das zeigt der aktuelle Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Obwohl es infolge der Pandemie einen Rückgang von 4,4 Behandlungen je GKV-Versicherten im Jahr 2019 auf 4,1 Behandlungen im „Corona-Jahr“ 2020 gab, stieg der durchschnittliche Pro-Kopf-Umsatz im gleichen Zeitraum von 120,70 Euro auf 126,90 Euro je GKV-Versicherten. „Es gab also insgesamt mehr Geld für weniger Behandlungen. Hinzu kamen noch Mittel aus dem Rettungsschirm für Heilmittelerbringer in Höhe von 814,5 Millionen Euro, die 2020 zum Ausgleich zunächst erwarteter, aber dann doch nicht eingetretener Umsatzeinbrüche infolge der Pandemie an die Heilmittel-Praxen gezahlt wurden und die nicht in die Berechnung eingeflossen sind“, so der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.

Vor allem der Bereich der Podologie profitierte im Jahr 2020 von den gesetzlichen Neuregelungen und der Umstellung regionaler Preise auf sogenannte Höchstpreise, die seit Mitte 2019 greifen: Hier stiegen die Umsätze je 1.000 GKV-Versicherte von 2018 auf 2020 um durchschnittlich 34,3 Prozent. Diese Umsatzsteigerung ging mit einem Anstieg der Behandlungsmenge um 7,8 Prozent einher. Im Bereich der Ergotherapie war im gleichen Zeitraum eine Umsatzsteigerung von 31,7 Prozent zu verzeichnen, in der Stimm- Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie waren es 29,4 Prozent. Der ausgabenstärkste und vom Verordnungsumfang größte Heilmittelbereich war die Physiotherapie: Hier stieg der durchschnittliche Umsatz je GKV-Versicherten von 2018 auf 2020 um mehr als ein Viertel (26,1 Prozent).

Größte Umsatzsteigerungen im Osten der Republik

In den östlichen Bundesländern – allen voran Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern – waren die Umsatzsteigerungen von 2018 auf 2020 durchweg größer als im Westen. „Hier ist es infolge der gesetzlichen Neuregelungen zu einer Angleichung des Vergütungsniveaus an die höheren Preise im Westen gekommen“, erläutert Helmut Schröder. „Das erklärte Ziel des Gesetzgebers war es, mit den Neuregelungen im TSVG die Attraktivität der Heilmittelberufe durch eine höhere Vergütung zu steigern und dadurch die Versorgung der Patientinnen und Patienten auch langfristig zu sichern. Ob die Steigerung der Erlöse von den Inhaberinnen und Inhabern der Praxen auch wirklich in Form von Lohnerhöhungen an die Beschäftigten weitergegeben worden ist, können wir anhand der vorliegenden Daten allerdings nicht beurteilen,“ so Schröder. Seit dem 1. Juli 2019 ergibt sich der bundesweit einheitlich geltende Preis für die jeweilige Leistung durch den höchsten Preis, der zuvor in einer Region des Bundesgebiets für die jeweilige Leistungsposition vereinbart worden ist. Diese Höchstpreise werden Schritt für Schritt durch bundeseinheitliche Versorgungsverträge abgelöst, die der GKV-Spitzenverband mit den Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer für jeden Leistungsbereich verhandelt und abschließt. Die Auswirkungen dieser Verträge sind in den Analysen zum Berichtsjahr 2020 noch nicht sichtbar.

Einbrüche bei Physio- und Ergotherapien für Jüngere

Neben der Entwicklung der Umsätze beleuchtet der aktuelle Heilmittelbericht auch detailliert die Mengenentwicklung der Behandlungen im „Pandemie-Jahr“ 2020. Den größten Einbruch bei der Inanspruchnahme von Heilmitteln gab es demnach zu Beginn der Pandemie im 2. Quartal 2020. Im weiteren Verlauf zeigen sich dann „Nachholeffekte“ und eine Normalisierung der Inanspruchnahme gegen Ende des Jahres. Der Blick auf die einzelnen Leistungsbereiche zeigt, dass die Zahl der ergotherapeutischen Behandlungen je 1.000 GKV-Versicherte im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 um 2,2 Prozent gesunken ist. Auffällig ist, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besonders stark vom Rückgang bei den ergotherapeutischen Therapien betroffen waren: So betrug der Rückgang in der therapieintensivsten Altersgruppe der Fünf- bis Neunjährigen minus 9,1 Prozent gegenüber dem Durchschnittswert der Vorjahre. Auch bei der Physiotherapie lag der Rückgang in dieser Altersgruppe mit minus 12 Prozent deutlich höher als der durchschnittliche Rückgang über alle Altersgruppen (knapp 2 Prozent).

Die Zahl der sprachtherapeutischen Behandlungen je 1.000 GKV-Versicherte sank 2020 gegenüber dem durchschnittlichen Wert von 2017 bis 2019 um 5,6 Prozent. „Hier waren Kinder und Jugendliche vom Rückgang bei den Therapien weniger stark betroffen als die älteren GKV-Versicherten“, so Helmut Schröder. Die Zahl der podologischen Behandlungen je 1.000 GKV-Versicherte stieg im Jahr 2020 gegenüber dem Durchschnittswert der Jahre 2017 bis 2019 sogar an – um 3,3 Prozent. Zwischen den verschiedenen Altersgruppen zeigten sich in diesem Bereich keine gravierenden Unterschiede.

Rund 43,8 Millionen Heilmittelleistungen ausgewertet

Für den Heilmittelbericht 2021/2022 hat das WIdO die insgesamt rund 43,8 Millionen Heilmittelleistungen ausgewertet, die 2020 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wurden. Davon entfielen 14,9 Millionen Leistungen auf die Versicherten der AOK.

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